Vortrag von Dr. Stefan Hördler, Historiker.
Unsere visuelle Vorstellung der nationalsozialistischen Konzentrationslager, aber auch weiterer Verbrechensorte wie die Mordstätten der „Aktion Reinhard(t)“ und mithin des Holocaust wird primär durch Fotografien der Täter und nicht der Opfer geprägt. Tausende Fotografien der SS dominieren die Bilderwelten der Lager von 1933 bis 1945. Dazu gehören etwa die Alben von Karl Otto Koch aus den KZ Sachsenburg, Columbia, Esterwegen, Sachsenhausen und Buchenwald, das Album von Karl Höcker aus Auschwitz genauso wie das sogenannte Lili-Jacob-Album.
1944 entstanden im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau eine Vielzahl von Fotografien, die zumeist den SS-Fotografen Bernhard Walter und Ernst Hofmann zuzuordnen sind. Überliefert ist ein von der Holocaust-Überlebenden Lili Jacob aufgefundenes Album, das zu der Deportation von mehr als 430.000 Jüdinnen und Juden aus Ungarn nach Auschwitz angelegt worden ist. Zahlreiche der subtil gewaltvollen Aufnahmen zeigen aus der Distanz die Ankunft größerer Gruppen im Lager, andere bilden die Organisation des Massenmords aus nächster Nähe ab. Auf einigen Fotos sind Selektionen oder „Lagerarbeiten“ zu sehen, manche zeigen die Transportzüge sowie Koffer und Kleidung Verschleppter und Ermordeter, andere die Vernichtungsanlagen.
Der Vortrag analysiert die Entstehung und den ideologischen Kontext des Albums und ordnet die Bilder in diese Zusammenhänge ein. Die kritische Fotoanalyse durchbricht so zugleich die Intention des Albums – die Inszenierung des durchgeplanten und in Auschwitz und anderswo vollzogenen Menschheitsverbrechens der Nationalsozialisten als einen rationalen Akt.
Date, heure et lieu : 10.06.2024, 19:00 – 20:30, Centre Culturel de Rencontre Abbaye de Neumünster
Conférencier : Dr. Stefan Hördler
Langue : allemand